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27. Juni 2023Messe­wirtschaft

„Handwerker müssen ausprobieren, testen und anfassen können. Das macht Handwerksmessen wahrscheinlich so lebendig und wohl auch etwas lauter als andere Messen.“


Dirk Bollwerk ist Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) und seit Mai neues Mitglied im Vorstand des AUMA. Im Interview mit AUMA Compact spricht er über Nachwuchs- und Fachkräftesicherung, über neue Messen für das Handwerk, über Nachhaltigkeitsinitiativen und was ihn an der DACH+HOLZ inspiriert. Die Fragen stellte Anne Böhl, Managerin Media im AUMA.

 

Lieber Herr Bollwerk, Sie vertreten als ZVDH-Präsident das Handwerk im AUMA-Vorstand. Würden Sie Ihre Branche und Ihren Verband kurz vorstellen?

Aktuell gibt es rund 15.200 Dachdeckerbetriebe in Deutschland, in denen über 100.000 Menschen arbeiten. Davon sind rund 64.000 im gewerblichen Bereich tätig. Im Schnitt beschäftigen Dachdeckerbetriebe fünfeinhalb gewerbliche Mitarbeitende - ein Wert, der seit einigen Jahren relativ konstant ist. Die Umsatzentwicklung der letzten Jahre ist sehr erfreulich. Trotz ungewöhnlicher Krisen konnte das Dachdeckerhandwerk im Jahr 2022 einen Umsatz von 12,9 Milliarden Euro erreichen, eine Steigerung von 13,6 Prozent. Derzeit werden fast 8.500 Dachdecker und Dachdeckerinnen ausgebildet. Erfreulich dabei ist die steigende Zahl der weiblichen Azubis.

Der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks ist ein Arbeitgeberverband. Er vertritt die fachlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen des Dachdeckerhandwerks. Unmittelbare Mitglieder sind die 16 Landesinnungsverbände hierzulande und 200 Landesinnungen des Dachdeckerhandwerks. Gemeinsam mit Holzbau Deutschland - Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes ist der ZDVH ideeller Träger der Branchenmesse DACH+HOLZ International.

Der ZVDH ist Mitglied im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Dieser bündelt auf Bundesebene 53 Handwerkskammern, rund 40 Fachverbände des Handwerks sowie wirtschaftliche und sonstige Einrichtungen des Handwerks in Deutschland. Seit Beginn dieses Jahres ist übrigens mit Jörg Dittrich ein Dachdeckermeister ZDH-Präsident.

Mit dem Handwerk verbindet man meist Messen wie die Internationale Handwerksmesse in München, die Fensterbau/Frontale in Nürnberg oder auch die Opti in München. Gibt es weitere, vielleicht auch neue Messen, die für das Handwerk zunehmend interessant werden?

Da möchte ich den Weltkongress GebäudeGrün nennen. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist die Begrünung der Städte ein drängendes Thema, und hier sind ganz verschiedene Gewerke involviert und gefragt. Insofern ist dies eine zunehmend interessante Messe fürs Handwerk. Zudem sind Messen, in denen es um Digitalisierung und BIM geht, also Building Information Modeling, Bauwerksdatenmodellierung, wichtig für die künftige Ausrichtung des Handwerks. Beispiele sind hier die Startup-Messe Tech in Construction in Berlin, aber auch die digitalBAU in Köln. Sie liefern als wichtige Impulse fürs Handwerk.



"Nur mit genügend qualifiziertem Personal werden die großen Transformationsaufgaben beim Klimaschutz, der Energie- und Wärmewende, bei der Mobilitätswende, dem Wohnungsbau, aber auch der Versorgung einer älteren Bevölkerung zu bewältigen sein."
 


Darüber hinaus werden die zahlreichen Azubi-Messen immer wichtiger, denn die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung gehört auch im Handwerk zu den ganz zentralen Herausforderungen, weil nur mit genügend qualifiziertem Personal die großen Transformationsaufgaben beim Klimaschutz, der Energie- und Wärmewende, bei der Mobilitätswende, dem Wohnungsbau, aber auch der Versorgung einer älteren Bevölkerung zu bewältigen sein werden. Für all das ist das Handwerk unverzichtbar. Dem trägt man auch in neuen Messe-Veranstaltungsformaten Rechnung wie dem Live-Event Zukunft Handwerk, das erstmals diesen März parallel zur IHM in München stattgefunden hat.


Was erwartet das Handwerk von Messen?

Handwerker wollen sich mit Kollegen treffen, sich austauschen und netzwerken, aber natürlich auch neue Produkte, Materialien und Verfahren kennenlernen. Handwerker müssen ausprobieren, testen und anfassen können. Das macht Handwerksmessen wahrscheinlich so lebendig und wohl auch etwas lauter als andere Messen.


Der AUMA hat im Vorjahr seine Branchenvereinbarung Nachhaltigkeit veröffentlicht. Gibt es im ZVDH oder ZDH ähnliche Initiativen zum Thema Klimaneutralität oder Best Practices bei Ihren Mitgliedern?

Der ZDH hat dazu tatsächlich einiges im Angebot: Mit dem Nachhaltigkeits-Navigator Handwerk wurde bereits vor einigen Jahren ein digitales Management-Instrument entwickelt, das Handwerksbetriebe dabei unterstützt, ihren Betrieb nachhaltig auszurichten und einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Er stützt sich auf die offiziellen Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex - ein international anerkannter Standard der Bundesregierung für Nachhaltigkeitsberichte. Nutzerinnen und Nutzer können damit ihre betriebliche Bestandssituation erfassen und eine persönliche Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln.

Ein praxisorientiertes Instrument für Handwerksbetriebe ist das digitale E-Tool der geförderten Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz. Das Energie-Tool ermöglicht eine Schritt-für-Schritt-Datenerfassung und zentrale Sammlung aller wichtigen betrieblichen Energiedaten. Es berechnet die dazugehörigen CO2-Emissionen, einschließlich eines vollwertigen CO2-Fußabdrucks nach GHG Scope 1 und 2 sowie Scope 3. Handwerksbetriebe können mit diesem Instrument die Energieeffizienz im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie oder Nachhaltigkeitsvereinbarung bewerten und als Entscheidungsbasis für künftiges Handeln nutzen.

Mit Hilfe von Best-Practice Beispielen zeigen sowohl die Plattform nachhaltiges-handwerk.de als auch die Mittelstandsinitiative Modellbetriebe, die sich auf den Weg zu einer nachhaltigen Transformation gemacht haben. Diese Beispiele sollen inspirieren und verdeutlichen, dass es sich lohnt, den eigenen Betrieb nachhaltig auszurichten. Beim ZVDH befassen sich ein Fachausschuss für Umweltschutz, Energieeinsparung und Nachhaltigkeit und einer für Recycling und Entsorgung mit solchen Themen. Der ZVDH will die Dachdeckerbetriebe unterstützen, im eigenen Betrieb nachhaltiger zu agieren, aber auch Themen wie Recycling am Bau noch stärker ins Bewusstsein bringen. Dazu haben wir übrigens im vergangenen Jahr ein Positionspapier zur Klimawende verfasst, wo wir sechs Kernthemen herausgearbeitet haben, in denen wir Potenzial zu Verbesserung sehen.

Immer mehr Bauherren, private wie öffentliche, achten auf die nachhaltige Qualität der verbauten Materialien. Um eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Produkte zu bieten, wollen wir mit der Zertifizierung nachhaltiger Produkte für mehr Transparenz sorgen und der Thematik zu mehr Aufmerksamkeit innerhalb der Branche verhelfen.


Haben Sie selbst Anknüpfungspunkte zu Messen oder ein persönliches, herausragendes Erlebnis auf einer Messe?

Durch die eigene Messe DACH+HOLZ sind wir natürlich eng ans Messegeschehen eingebunden. Besondere Freude bereitet mir die Wahl der jeweiligen Gesichter der Messe: Es ist einfach toll zu sehen, wie viele junge und begeisterte Handwerker und Handwerkerinnen sich bewerben, um ihr Gewerk bekannt zu machen. Auf der jüngsten DACH+HOLZ haben mich vor allem die Startup-Unternehmen begeistert, sei es im digitalen Bereich oder auch im Bereich der Dachbegrünung. Es ist großartig zu sehen, wie viele gute Ansätze und wirklich tolle Ideen aus der Dachdecker-Branche selbst kommen, aber auch von Menschen außerhalb der Branche. Das fand ich sehr inspirierend!


"Besondere Freude bereitet mir auf unserer DACH+HOLZ die Wahl der jeweiligen Gesichter der Messe: Es ist einfach toll zu sehen, wie viele junge und begeisterte Handwerker und Handwerkerinnen sich bewerben, um ihr Gewerk bekannt zu machen."



Vielen Dank, Herr Bollwerk!


Dirk Bollwerk wurde im Mai in den Vorstand des AUMA gewählt. Er vertritt den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im AUMA. Der Handwerksmeister und Betriebswirt führt seit 1993 den Dachdeckerbetrieb Johannes Bollwerk Bedachungen GmbH im niederrheinischen Rees-Haldern. Seit 2017 ist er Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH).

Den gesamten AUMA-Vorstand finden Sie hier.


Juni 2023




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