Nach neuesten AUMA-Zahlen war China 2023 die führende Ausstellernation auf dem Messeplatz Deutschland. Zugleich ist die Volksrepublik für deutsche Unternehmen nach wie vor einer der wichtigsten Auslandsmärkte. Auch im Auslandsmesseprogramm des Bundes sind 2025 zwei Dutzend deutsche Gemeinschaftsstände vorgesehen, was nach den USA das zweitgrößte Zielland für die deutsche Messeförderung ist. Marianne Friese lebte von 2001 bis 2020 in China. Sie ist Gründerin einer Unternehmensberatung, die auf China und Asien spezialisiert ist. Sie berät Kunden, die unter anderem auf Messen in Deutschland und China aktiv sind. Im Gespräch mit Julia Tornier, AUMA, spricht sie über chinesische Entwicklungssprünge, Messebau in nur einer Nacht und nervige Visa-Vergabe.
Marianne Friese, Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung MFC
Liebe Frau Friese, wie sehen aus Ihrer alltäglichen Erfahrung derzeit Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland aus?
Marianne Friese: Schlagworte wie De-Risking, China+1 und die damit verbundenen geopolitischen Fragen sind etwas, was wir einerseits sehr beobachten. Anderseits ist ein großer Teil der Kundenaktivitäten davon nicht betroffen. Wir haben in fast 20 Jahren für sehr viele Branchen und vom Großkonzern bis zum kleineren Mittelständler Projekte bearbeitet und über mehrere Jahre hinweg unterstützt. Daher kann ich sagen: im geschäftlichen Umfeld Deutschland-China gab es immer wieder größere Auf-und-Abs. Wir sehen, gerade in der aktuellen Phase der zunehmenden Komplexität und geopolitischen Herausforderungen, dass es extrem wichtig ist, sich in China richtig aufzustellen und bewusst die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielt das Thema Messe in China?
Für uns als Berater ist das Wachstum der Messelandschaft in China enorm. So erinnere ich mich daran, als ich 2008 in Peking in die Nähe das damaligen International Trade Fair Centers zog, wie bei der damaligen Beijing AutoShow der Verkehr im Umkreis von mehreren Kilometern zusammenbrach – nur wegen der Anlieferungen und Aufbauarbeiten. Das Messezentrum lag mitten in einem Wohngebiet. Zwischenzeitlich gibt es ein viel größeres Messezentrum am Rande Pekings. Aus chinesischer Sicht ist das damals alles Schnee von gestern.
Grundsätzlich schätze ich an der chinesischen Kultur sehr, dass man sehr offen auf Neues zugeht. Man spricht vom „Leap Frogging“, viele Entwicklungen werden übersprungen. Interessanterweise aber nicht die Entwicklung von Messen. Ich gehe davon aus, dass dies an der sehr personenbezogenen Kultur in China liegt. Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht. Vertrauen ist eine sehr wichtige, wenn nicht gar die wichtigste Währung im Business. Und Vertrauen lässt sich nicht über Calls aufbauen. Neues zu entdecken und mit Geschäftspartnern Vertrauen aufzubauen, ist die DNA von Messen – in China wie im Rest der Welt. Nur ist dies in China noch viel ausgeprägter als in vielen anderen Märkten.
Es gibt viele Unterschiede zwischen Messen in Deutschland und in China, angefangen von der Lautstärke, die in China deutlich höher ist, bis hin zur Öffnung für Endverbraucher. Grundsätzlich spüren wir, dass in China Messen nicht für den Abschluss von Geschäften stehen, sondern für „Guanxi”, gute Beziehungen, das ist unabhängig vom Messegeschehen ein sehr wichtiger Aspekt für den geschäftlichen Erfolg in China.
Dr. Anja Ketels, Co-Geschäftsführerin bei MFC (zweite von rechts) auf der Interzoo 2024 mit Mitarbeiterin, Kunde und chinesischem Geschäftspartner
MFC-Mitarbeiterin auf der China Pet Expo 2024 in Peking – Ein Gewinnspiel löst enormen Besucher-Andrang und Interesse an der Marke aus. Mein Unternehmen hat bisher vorrangig deutsche Hersteller in China strategisch auf Messen vorbereitet sowie die gesamte Messe-Logistik organisiert. Hierbei gilt es, sich auf die Erwartungshaltungen der chinesischen Besucherinnen und Besucher einzustellen, beispielsweise mit Gamification und Digitalisierung. Der Messestand eines Kunden auf der China Pet Expo ist ein gutes Beispiel. Die deutsche Tiernahrungsmarke, die dort eingeführt wurde, sollte Aufmerksamkeit erzeugen. Dies erreichte man über ein Spiel, bei dem die Messebesucherinnen und -besucher einen Preis gewinnen konnten. Es bildeten sich lange Schlangen. Das gab zusätzliche Berichterstattung in den chinesischen sozialen Medien. Die Vernetzung aller Aktivitäten mit einem hohen Level an Unterhaltung war der Schlüssel zum Erfolg.
Dieser Messestand war zwei Wochen vor dieser Messe noch nicht voll durchgeplant. Der Aufbau fand genau in der Nacht davor statt. Geklappt hat fast alles auf Anhieb. Das ist der große Unterschied. Die Schnelligkeit, gerne auch China-Speed genannt – das ist umwerfend! Und genau das ist für chinesische Unternehmen in Deutschland sehr schwer. Monate im Voraus ein Visum zu beantragen, wo es für deutsche Reisende nach China aktuell eine Visa-Freiheit für Reisen unter 15 Tagen gibt, GEMA-Gebühren, wochen- und monatelange Vorlaufzeiten und vieles mehr sind für chinesische Aussteller in Deutschland eine Hürde.
Welche Messen besuchen Ihr Unternehmen und Ihre Kunden in nächster Zeit?
Für einen unserer Kunden haben wir Gespräche mit chinesischen Partnern auf der gerade zuende gegangenen Interzoo in Nürnberg intensiv vorbereitet und supportet. Für den gleichen Kunden werden wir in Shanghai auf der FoodPack China & ProPak China 2024 aktiv sein. Wir freuen uns schon sehr darauf.
Als Marianne Friese 2001 für ein amerikanisches Beratungsunternehmen als China-Geschäftsführerin nach Peking zog, wusste sie noch nicht, dass sie 2005 ihr eigenes Unternehmen MFC gründen würde. Heute schlagen drei Herzen in ihrer Brust: ein europäisches, ein chinesisches und ein amerikanisches, sagt sie. Am liebsten wäre ihr, wenn sie wieder öfter im harmonischen Dreiklang schlagen würden. Das Tagesgeschäft übernimmt mittlerweile Co-Geschäftsführerin Dr. Anja Ketels.
Weitere Informationen:
https://m-f-consulting.com/
16. Mai 2024
