Interview mit Monique Surges, Chief Executive Officer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Neuseeland
2024 soll das lange verhandelte Freihandelsabkommen der EU mit Neuseeland in Kraft treten. Unterzeichnet ist das Abkommen bereits von beiden Seiten. Nun läuft das Ratifizierungsverfahren. Ehrgeizige Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung kennzeichnen das Abkommen. Durch Zollabbau wird ein Wachstum des bilateralen Handels um 30 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts erwartet. Von Fachleuten prognostiziert wird ein Anstieg der EU-Investitionen um bis zu 80 Prozent.
Für AUMA Compact sprach Sylvia Kanitz mit Monique Surges, Chief Executive Officer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Neuseeland, über die Chancen, die sich daraus auch für Messen in Deutschland ergeben.
Monique Surges, Chief Executive Officer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Neuseeland Liebe Monique Surges, aus Neuseeland nehmen jährlich bis zu 150 ausstellende Unternehmen und 7.000 Besucher an Messen in Deutschland teil. Die AHK Neuseeland ist stark im Messegeschäft engagiert, vertritt die Messe Berlin, die NürnbergMesse und die Spielwarenmesse vor Ort. Welche Erwartungen können Messegesellschaften an ein Freihandelsabkommen haben?Eigentlich ist die Nachfrage nach Informationen an Messen seitens neuseeländischer Firmen, schon vor der Ratifizierung bemerkenswert gestiegen. Dies liegt am Brexit, am Freihandelsabkommen zwischen Neuseeland und dem Vereinigten Königreich und am Wiederaufbau von Märkten nach der Corona-Pandemie.
Für den Handel mit Waren und Dienstleistungen belegte China bislang Platz 1für den Exportwie für den Import. Insgesamt ist zu hoffen, dass die Unternehmen ihre Exportmärkte künftig etwas stärker außerhalb von China suchen und dafür auch die internationalen Messen in Deutschland nutzen.
Wie schaut die AHK Neuseeland als bilaterale Kammer mit deutschen und neuseeländischen Mitgliedern auf das Abkommen?Die deutsch-neuseeländischen Handelsbeziehungen werden maßgeblich von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt, welche einen bedeutenden Anteil der Mitglieder der AHK ausmachen. Sowohl in Neuseeland als auch in Deutschland gehören etwa 97 bis 99 Prozent der Unternehmen in diese Gruppe.
Im Rahmen des Abkommens ist explizit vorgesehen, dass sowohl die Europäische Union als auch Neuseeland Informationen über den Markteintritt und die Marktchancen über speziell eingerichtete Websites bereitstellen, damit diese als Anlaufstellen dienen können.
Wir hoffen auf mehr Anfragen, auf mehr Interesse.
Was erwartet Neuseeland vom Freihandelsabkommen?Die EU-Länder stellen derzeit den viertgrößten Handelspartner Neuseelands dar, nach China, Australien und den Vereinigten Staaten. 2022 umfasste der Handel zwischen der EU und Neuseeland beeindruckende 11,7 Milliarden Euro. Dabei entfielen fast 75 Prozent dieses Betrags auf die Einfuhren der EU aus Neuseeland. Durch die Abschaffung der Zollpflicht können europäische Unternehmen künftig Zölle in Höhe von mehr als 140 Millionen Euro einsparen. Dank des Abkommens dürfte der bilaterale Handel um bis zu 30 Prozent zunehmen, wobei die jährlichen Ausfuhren der EU um bis zu 4,5 Milliarden Euro zunehmen könnten.
Außerdem könnten EU-Investitionen in Neuseeland um bis zu 80 Prozent steigen.
Ein wesentlicher Bestandteil des Freihandelsabkommens besteht darin, technische Handelshemmnisse zu beseitigen, wie beispielsweise die zeitaufwendige Neuzertifizierung von Produkten vor ihrer Einführung auf den neuseeländischen Markt. Insbesondere für deutsche und europäische Lieferanten bedeuten diese zusätzlichen Verwaltungskosten derzeit eine Herausforderung, insbesondere in den Bereichen Automobil- und Lebensmittelindustrie.
Warum ist der neuseeländische Markt für deutsche Unternehmen interessant? Deutschland investiert schon in einer beachtlichen Größenordnung in Neuseeland. Dazu gehören Immobilien, Unternehmen und Beteiligungen an neuseeländischen Unternehmen. Seit Beginn der Pandemie ist das Gesamtinvestitionsvolumen Deutschlands kontinuierlich angestiegen, von 1,25 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 1,42 Milliarden Euro im Jahr 2022. Dieser Aufwärtstrend wird sich durch das Freihandelsabkommen weiter fortsetzen.
Mit dem Abkommen werden die Investitionsvorschriften gelockert, was zu einer verstärkten wirtschaftlichen Expansion und neuen Investitionsmöglichkeiten in Neuseeland führen wird, insbesondere in bislang stark regulierten Bereichen wie Energie und Produktion.
Das Abkommen enthält als erstes seiner Art auch ein Kapitel über nachhaltige Entwicklung. Wie wichtig ist dieser Aspekt aus Ihrer Sicht?Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland integriert erstmalig den neuen Ansatz der EU für Handel und nachhaltige Entwicklung durch Förderung eines grünen und gerechten Wachstums. Das betrifft nachhaltige Lebensmittelsysteme, Artikel zur Gleichstellung der Geschlechter und eine spezielle Bestimmung über die Reform von Subventionen für fossile Brennstoffe. Mit dem Abkommen werden bei Inkrafttreten auch grüne Waren und Dienstleistungen liberalisiert. Ich denke, wenn man betrachtet, was Neuseeland exportiert – hauptsachlich Lebensmittel und Tourismus - ist gerade dieses Kapitel sehr wichtig.
Weitere Informationen:
https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-und-neuseeland-unterzeichnen-ehrgeiziges-freihandelsabkommen-2023-07-10_de