Bereits seit fünf Jahren wird am ersten Mittwoch im Juni der Internationale Tag der Messewirtschaft gefeiert. In diesem Jahr befindet sich die gesamte Branche aufgrund der Covid-19-Pandemie in einer Ausnahmesituation. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti sprach Sergey Bednov, der Hauptgeschäftsführer von Expocentre, der größten russischen Messegesellschaft in Russland und Osteuropa, über die besondere Rolle von Messeveranstaltungen beim Wirtschaftsaufbau in der Zeit nach Corona.
Sergey Bednov, der Hauptgeschäftsführer von Expocentre, der größten russischen Messegesellschaft in Russland und Osteuropa Herr Bednov, Sie und Ihre Kollegen aus anderen Messegesellschaften in der ganzen Welt feiern ihren Branchenfeiertag in einer schwierigen Situation, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie entstanden ist. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Bednov: Die Lage ist tatsächlich schwierig, aber nicht aussichtslos. Durch die Covid-19-Pandemie hat die Wirtschaft starke Verluste erlitten, die Messewirtschaft gehört mit zu den am meisten betroffenen Branchen. Gleichzeitig können gerade die Fachmessen, bei einer entsprechenden Unterstützung seitens des Staates, zu einem der wichtigsten Instrumente für die Wiederbelebung des Geschäftslebens werden, sobald sich die epidemiologische Situation wieder normalisiert.
In diesem Kontext gewinnt der Tag der Internationalen Messewirtschaft mit seinem diesjährigen Motto „Messen als Schlüssel zum Wirtschaftsaufbau“ zunehmend an Bedeutung. Alle Branchenteilnehmer sind dazu aufgerufen, sich diesem Feiertag anzuschließen, um die Rolle der Messebranche für die jeweilige nationale Wirtschaft, Geschäftsaktivitäten und das Zusammenbringen von Menschen erneut hervorzuheben.
Der Internationale Weltmesseverband (UFI), das weltweite Netzwerk aus mehr als 50 nationalen und regionalen Messeverbänden, das gleichzeitig den Branchenfeiertag austrägt, veröffentlichte ein „Handbuch globaler Vorschriften zur sicheren Wiedereröffnung von Messen und b2b-Verasntaltungen“. Dieses Dokument ist an die Staatsvertreter verschiedener Länder adressiert.
Darin wird unter anderem betont, dass die Messen für ganze Branche wichtige Handels- und Kommunikationsplattformen auf der regionalen, nationalen und internationalen Ebene darstellen. Die Messen sind auch ein notwendiges und effektives Instrument zum Wirtschaftsaufbau nach Covid-19, was vor allem für die kleinen und mittelständischen Unternehmen entscheidend ist, da sie das wirtschaftliche Rückgrat bilden und die Fachmessen als einen der wichtigsten Absatzkanäle nutzen. Es sind wieder die Messen, die die Entwicklung von Regionen fördern und für regionale Budgeteinnahmen sorgen.
Die internationale Messebranche erklärte sich für eine Zusammenarbeit bei Fragen der Gesundheitssicherheit aller Messe- und Ausstellungsteilnehmer bereit und erwartet in diesem Zusammenhang, dass die jeweiligen Behördenstellen die Wiederaufnahme von Veranstaltungen unter Einhaltung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen erlaubt.
Wie können derartige Sicherheitsmaßnahmen in der Praxis gewährleistet werden?
Bednov: Ich stimme denjenigen Experten des UFI-Verbandes zu, die glauben, dass ein Messeformat als solches im Gegensatz zu vielen anderen Massenveranstaltungen eine Steuerung von Besuchern in allen Phasen erlaubt – angefangen bei der Anmeldung, über den Aufenthalt vor Ort bis hin zur Nutzung des Caterings und Sanitäreinrichtungen. Die modernen Messe- und Kongresszentren sind extra für die Steuerung von Aussteller- und Besucherströmen nach strengen Sicherheitsvorschriften und Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation ausgerüstet. Die Besucherdichte in Fachausstellungen kann auf einem niedrigen Level gehalten werden, weil die Veranstaltungen häufig innerhalb von mehreren Tagen und auf weitläufigen Flächen stattfinden. Laut Weltmesseverband kann die Organisation und Steuerung von b2b-Formaten an die der Supermärkte angelehnt werden, die auch während der Infektionsausbreitung erfolgreich und sicherheitskonform gearbeitet haben.
Was Russland anbetrifft, so plant die Expocentre mit Unterstützung der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation bei stufenweisen Lockerungen gemeinsam mit der nationalen Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadzor die Empfehlungen zur Implementierung von Hygiene- und Infektionsschutzvorschriften in den Messe- und Kongresszentren vorzubereiten.
Nach dem Aufruf der internationalen Messebetreiber die Messen von anderen Massenveranstaltungen getrennt zu behandeln, kamen bereits erste positive Reaktionen. Ab dem 30. Mai will Nordrhein-Westphalen die Durchführung von b2b-Ausstellungen und Kongressen genehmigen. Heute verfügen alle 16 Bundesländer über das Genehmigungsrecht zur Durchführung von Fachausstellungen unter Berücksichtigung von beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen, unter anderem mit einer reduzierten Teilnehmerzahl. Und das ist bereits jetzt möglich, obwohl die meisten Massenveranstaltungen in Deutschland bis Ende August verboten sind.
Was erscheint Ihnen jetzt als besonders wichtig für die russische Messewirtschaft und speziell für ihr Potential die Aufnahme von Geschäftsprozessen in anderen Branchen voranzutreiben?
Bednov: In der heutigen Situation braucht die Messebranche die Einsicht und Unterstützung seitens der föderalen und regionalen Behörden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierung dem Vorschlag der russischen Handels- und Industriekammer zugestimmt hat, die Messebranche als einen durch die Covid-19 betroffenen Wirtschaftszweig anzuerkennen. Aktuell wird über ein großes Maßnahmenpaket diskutiert, welches unter anderem Subventionen, Steuererlasse, niedrigere Mietsätze für die Messestandorte und einige andere Schritt umfasst.
Am Beispiel unserer Messegesellschaft Expocentre kann ich sagen, dass diese Maßnahmen uns erlauben würden, unseren Geschäftskern beizubehalten, schnell aus dem Homeoffice-Modus zurückzukehren sobald dies möglich ist, und die kommenden Messen auf dem höchsten Niveau durchzuführen. Unsere Priorität ist es, den einheimischen Herstellern zu ermöglichen, die eingefahrenen Verluste durch die Teilnahme an führenden Branchenschauen zu kompensieren, bestehende Geschäftskontakte zu reaktivieren bzw. neue aufzubauen sowie Markpositionen zu sichern.
Kurzportrait EXPOCENTRE
Russlands größte
Messegesellschaft EXPOCENTRE, eine Tochtergesellschaft der Handels- und
Industriekammer der Russischen Föderation, gehört zur Top-Liga
internationaler Messewirtschaft. Gegründet vor über 60 Jahren
veranstaltet EXPOCENTRE jährlich rund 100 internationale Fachmessen mit
über 1 Mio. Fachbesucher sowie über 600 Kongresse, Konferenzen und
Symposien auf eigenem Messegelände mit der Gesamtfläche von 165.000 qm.
Über 30.000 Unternehmen aus aller Welt nutzen die Messeformate von
EXPOCENTRE für ihre B2B-Geschäfte.
Der Anteil von Fachmessen mit
dem Schwerpunkt Innovationen macht aktuell 20% des gesamten
Messeportfolios aus. Zu den größten und bekanntesten internationalen
Fachmessen von EXPOCENTRE gehören, unter anderem NEFTEGAZ (Ausrüstung
für die Öl- und Gasindustrie), KHIMIA (Chemische Industrie und
Wissenschaft), ZDRAVOOKHRANENIYE (Gesundheitswesen, Medizintechnik und
Pharma), PRODEXPO (Lebensmittel und Rohmaterialien) sowie
METALLOOBRABOTKA (Ausrüstung, Geräte und Werkzeuge für
Metallbearbeitung).
Mit einer langjährigen Branchenexpertise,
erstklassigen Serviceangeboten und einem starken Netzwerk in russischen
Institutionen und Verbänden unterstützt EXPOCENTRE internationale und
deutsche Unternehmen beim Geschäftsausbau in Russland. Die
Messegesellschaft ist Mitglied in führenden internationalen
Fachverbänden.
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