Christiane Appel geht nach 26 Jahren als journalistische Beobachterin der Messewirtschaft Ende Oktober in den Ruhestand. Seit dem 1. Oktober 1998 war die studierte Publizistin tätig im damaligen m+a Verlag in Frankfurt am Main, der ihre Idee eines 14-tägigen Newsletters, die m+a Newsline, bereit war umzusetzen. Drei Jahre später übernahm sie zudem die Rolle der Chefredakteurin beim m+a report. Im Gespräch mit Steffen Schulze, AUMA, schaut sie voraus auf ihren neuen Lebensabschnitt, bringt auf den Punkt, wieso sie für die Messewirtschaft brennt und beschreibt die Branche als etwas weiblicher geworden – aber da ginge wohl noch mehr.
Liebe Christiane Appel, Sie gehen nach 26 Jahren als journalistische Beobachterin der Messewirtschaft Ende Oktober in den Ruhestand. Haben Sie Vorsätze für den neuen Lebensabschnitt?
Um ehrlich zu sein: Vorsätze habe ich keine, aber viel vor. Ich habe diverse Vorstellungen und Ideen. Die werde ich in den nächsten Wochen erst einmal sortieren. Was ich aber sicher sagen kann: Langweilig wird mir nicht.
Es gibt immer weniger Journalistinnen und Journalistin, die einen Blick für die Messewirtschaft haben, beklagen viele Menschen in der Branche. Sehen Sie das auch so? Wenn ja, woran mag das liegen?
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Meiner Meinung nach hat sich die Messewirtschaft über Jahre hinweg zu wenig um ihre Außenwahrnehmung gekümmert. Die Bedeutung der Branche hat die Corona-Pandemie sehr deutlich gemacht. Der damalige Famab-Vorsitzende Jan Kalbfleisch brachte es so auf den Punkt: „Relevanz fällt nicht vom Himmel, wenn man sie braucht.
Die Corona-Pandemie beinhaltete für die Messewirtschaft trotz aller Tragik eine große Chance: endlich mit Gattungsmarketing zu beginnen. Der Fachverband Außenwerbung hat über Jahre vorgemacht, wie das gehen kann - „Außenwerbung trifft jeden“. Es braucht einfach die Sichtbarkeit der Stärke einer Branche. Und dafür braucht es die Sichtbarkeit und Stärke einer ganzen Branche.
Es hat ja auch erste Ansätze gegeben – nach Corona. Die Kampagne MesseMonatMai war ein erster solcher, der aber hätte meiner Meinung nach unbedingt aus- und weitergeführt werden müssen, weit über Bordmittel und Herzblut hinaus. Der Auma-Vorsitzende Philip Harting hat im Interview mit dem m+a report im Mai 2022 dazu gesagt: „Wir haben im Moment deutlich bessere Chancen, als Team Messedeutschland wahrgenommen zu werden.“ Meiner Meinung nach wurde diese Chance von „Team Messedeutschland“ nicht genutzt.
Gibt es etwas, das Kommunikationsverantwortliche in der Messewirtschaft tun können, um klarer zu machen, was an Messen hängt?
… das ist schon fast ein Beratungsmandat... Im Ernst: Natürlich wäre es einfacher, wenn die Kommunikationsverantwortlichen feste Ansprechpartner in den Redaktionen hätten. Ich bin sicher, dass überzeugendes Gattungsmarketing ein wichtiger Schritt wäre – und ein erster Aufhänger.
Messe ist enorm erklärungsbedürftig und ein komplexes Produkt. Ein Ansatz könnte sein, es in seine Einzelteile zu zerlegen, dann neu zusammensetzen – und sich dabei über die vielen involvierten Schultern schauen zu lassen.
Wenn Sie auf die Messewirtschaft zu Beginn Ihrer Karriere und heute schauen: Was fehlt Ihnen heute von damals? Über welchen Fortschritt sind Sie froh?
Was mir fehlt, und da bleiben wir beim Thema, sind in der Tat die Kolleginnen und Kollegen, die das Thema Messen außerhalb der Fachmedien treiben. Den Austausch mit ihnen fand ich immer bereichernd, weil der Blickwinkel einfach ein anderer ist. Das ging den Kolleginnen und Kollegen vice versa ebenso.
Was ich indes begrüße: Messe ist leichter geworden, kleiner, handlicher, übersichtlicher – im Download, in einer App. Und: Messe ist ein wenig weiblicher geworden – bei den ausstellenden Unternehmen, bei den besuchenden Gästen als auch in den veranstaltenden Unternehmen. Und obwohl von den Letztgenannten so ziemlich alle die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben, wäre es doch ein Schönes, wenn mehr dahinter stünde und sie auch stärker umgesetzt würde. Es hat sich schon viel getan, aber noch mehr Fortschritt diesbezüglich wäre noch schöner. Da schließe ich das Aufbrechen des Beharrungsvermögens mancher auf Posten und Positionen mit ein.
Wenn man mit Ihnen spricht, merkt man, dass Sie bei aller professionellen Distanz ein großes Herz für die Messewirtschaft haben. Können Sie Ihre Begeisterung beschreiben?
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, auf Messen treffen Sie meistens nur gut gelaunte Menschen? Allein das ist ein Grund. Deshalb ist Messe für mich ein anderes Wort für gute Laune, Aufbruchstimmung, Menschen treffen, Neues erfahren, Entdeckungen machen, Standbau bewundern, Leistungen bestaunen, Begeisterung und Weltoffenheit spüren, jedes Mal ein neues Erlebnis – das alles, und noch viel mehr!
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Christiane Appel (Jahrgang 1958) begann ihre Karriere als freie Journalistin in Berlin mit Schwerpunkt B2B-Kommunikation. Ihren ersten Job als Angestellte trat die studierte Publizistin am 1. Oktober 1998 im damaligen m+a Verlag in Frankfurt an, der ihre Idee eines 14-täglichen Newsletters, die m+a Newsline, bereit war umzusetzen. Drei Jahre später übernahm sie zudem die Rolle der Chefredakteurin beim m+a report. Mit „Messe“ wollte die Tochter eines Werbeleiters, dessen Leben (und das seiner Familie) vom Rhythmus der Hannover Messe und der Achema bestimmt wurde, nie etwas zu tun haben. Dabei spielt die Hannover Messe auch in ihrem Leben eine entscheidende Rolle: Im damaligen Centrum der Werbung hat sie ihren Mann kennengelernt und lebt seitdem in der Kurpfalz. Der Frage nach einer Lieblingsmesse in Deutschland weicht sie aus und nennt stattdessen das B2C-Vergnügen Salon des Vins des Vignerons Indépendants in Straßburg: Santé.