Ende vergangenen Jahres wurde eine politische Einigung zum EU-Mercosur-Abkommen erzielt. Das Handelsabkommen soll die Beziehungen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und weiteren lateinamerikanischen Staaten erheblich stärken. Das Abkommen könnte einen der größten Wirtschaftsräume der Welt schaffen, mit über 700 Millionen Menschen. Derzeit läuft das Ratifizierungsverfahren auf beiden Seiten. Fachleute erwarten allein durch Zollabbau für europäische Exporteure Einsparungen von vier Milliarden Euro. Für AUMA Compact sprach Sylvia Kanitz mit Hanno Erwes, Hauptgeschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Brasilien über die Chancen für die deutsche Messewirtschaft.
Lieber Hanno Erwes, aus Brasilien nehmen jährlich bis zu 600 ausstellende Unternehmen und 30.000 Besucher an Messen in Deutschland teil. Die AHK Brasilien ist stark im Messegeschäft engagiert, vertritt die Deutsche Messe AG, Messe Hamburg sowie die Messe Berlin und kooperiert mit weiteren Messeveranstaltern. 2026 soll Brasilien Partnerland der Hannover Messe sein. Wird das Mercosur-Abkommen die Teilnahme brasilianischer Unternehmen an internationalen Messen in Deutschland verändern?
Die Dynamiken zwischen den USA und China schaffen ein einzigartiges Fenster für die europäische Zusammenarbeit. Besonders vielversprechend für deutsche Unternehmen sind dabei der Mercosur und die Region der Pazifischen Allianz. Das Abkommen könnte die Teilnahme brasilianischer Unternehmen an internationalen Messen in Deutschland in mehrfacher Hinsicht beeinflussen. Zunächst würde es die Zusammenarbeit zwischen der AHK Brasilien und deutschen Messeveranstaltern intensivieren und somit die Unterstützung für brasilianische Unternehmen erhöhen. Eine stärkere Kooperation würde den Firmen außerdem besseren Zugang zu Netzwerkmöglichkeiten und potenziellen Geschäftspartnern verschaffen. Darüber hinaus könnte das Abkommen den Austausch von Innovationen und Technologien fördern, was für beide Länder von Vorteil wäre. Schließlich könnte es das Messegeschäft in Deutschland ankurbeln und die Zahl der brasilianischen Aussteller steigern, was den wirtschaftlichen Austausch weiter fördert.
Insgesamt würde das Abkommen die Teilnahme brasilianischer Unternehmen an Messen effizienter gestalten und ihre internationale Präsenz stärken.
Die deutsche Messewirtschaft ist auch in Brasilien aktiv: 2025 sind acht Gemeinschaftsstände für deutsche Unternehmen im Rahmen des Auslandsmesseprogramm der Bundesregierung geplant und 21 Messen deutscher Veranstalter. Die Zahlen steigen in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Warum ist der brasilianische Markt für deutsche Unternehmen interessant?
Brasilien ist die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas mit über 210 Millionen Einwohnern. Die Nachfrage nach Technologie und Innovation, insbesondere in Bereichen wie Maschinenbau und IT, ist hoch. Zudem bietet die strategische geografische Lage des Landes deutschen Unternehmen Zugang zu Märkten in Südamerika. Stabile Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Brasilien sowie die Bedeutung von Fachmessen als Plattform für Geschäftskontakte verstärken die wirtschaftlichen Chancen. Insgesamt bietet Brasilien deutschen Unternehmen viel Potenzial für Wachstum und Zusammenarbeit.
Wie schaut die AHK Brasilien als bilaterale Kammer mit deutschen und brasilianischen Mitgliedern auf das Abkommen? Ein Handelsdeal mit Samba oder ein Tango der Bürokratie?
Die AHK Brasilien sieht das Abkommen als großen Fortschritt für den wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Brasilien. Es erleichtert den Handel und schafft neue Geschäftsmöglichkeiten für ihre Mitglieder. Gleichzeitig könnten bürokratische Hürden, wie langsame Prozesse in Zoll und Verwaltung, Herausforderungen darstellen. Diese Mischung aus Koordination und Bürokratie könnte besonders für Unternehmen spürbar sein. Dennoch wird die AHK Brasilien ihre Rolle als Vermittlerin nutzen, um die Vorteile des Abkommens zu fördern und bürokratische Hürden zu minimieren. Insgesamt ist die AHK Brasilien optimistisch, dass das Abkommen den Handel und die Partnerschaften stärkt, trotz möglicher bürokratischer Herausforderungen.
Was sind die Hauptziele des EU-Mercosur-Abkommens und wie könnte es die brasilianische Wirtschaft beeinflussen?
Das EU-Mercosur-Abkommen zielt auf den Abbau von Zöllen, den besseren Marktzugang und die Förderung des Handels zwischen der EU und den Mercosur-Staaten. Für Brasilien bedeutet dies, dass Produkte wie Agrarwaren zu günstigeren Bedingungen in die EU exportiert werden können. Zudem fördert das Abkommen Investitionen und Zusammenarbeit in Bereichen wie Innovation, Technologie und Umweltstandards. Die brasilianische Wirtschaft wird durch den wachsenden Export und die Diversifizierung profitieren. Gleichzeitig bringt der erhöhte Wettbewerbsdruck die Notwendigkeit mit sich, internationale Standards zu erfüllen, was Investitionen und Modernisierungen erfordert. Weiterhin wird erwartet, dass ein größerer Wettbewerb von Produkten aus dem Tech-, Industrie sowie Investitionsgüterbereich entsteht, da dieser Bereich stark von chinesischen Anbietern beherrscht wird. Das Abkommen könnte folglich auch ausländische Direktinvestitionen anziehen und neue Arbeitsplätze schaffen.
Das Abkommen enthält auch ein Kapitel über nachhaltige Entwicklung. Welche Trends siehst du hier, die den Handel zwischen Brasilien und der EU in den nächsten Jahren beeinflussen könnten?
Strengere Umweltvorgaben werden brasilianische Unternehmen zu nachhaltigeren Produktionsmethoden anregen. Hierzu wurde bereits ein Gesetz für den freiwilligen Handel mit CO2-Zertifikaten eingeführt, das zukünftig zur Reduktion der CO2-Emission als verpflichtend verabschiedet werden soll. Der Fokus auf grüne Technologien und erneuerbare Energien könnte Brasilien als Partner für die EU stärken. Nachhaltige Landwirtschaft wird in Brasilien zunehmend wichtiger, um den EU-Anforderungen zu entsprechen.
Ein wachsendes Verbraucherbewusstsein in Europa für ethische und umweltfreundliche Produkte wird den Handel ebenfalls beeinflussen. Unternehmen, die hohe ethische Standards einhalten, könnten Wettbewerbsvorteile auf dem europäischen Markt erzielen. Brasilien ist in vielen Nachhaltigkeitsbereichen bereits gut aufgestellt, insbesondere große Unternehmen, die strengen Auflagen unterliegen. Auch in Bereichen wie erneuerbare Energien und Umweltaspekten könnte Brasilien Vorbild sein. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, aber führende Unternehmen sind bereits gut aufgestellt.
8. April 2025
Hanno Erwes ist diplomierter Betriebswirt und seit 25 Jahren für die Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer in Rio de Janeiro tätig, seit 2000 als Abteilungsleiter für Außenwirtschaft und seit 2005 als Hauptgeschäftsführer. In der Welt der Auslandshandelskammern (AHK) ist er seit 2023 Regionalsprecher der Kammern Lateinamerikas und Karibik. Hanno Erwes setzt sich zudem für duale Ausbildung und nachhaltige Handelsprojekte ein.
Als Highlight in seinen 25 AHK-Jahren hebt Erwes die Organisation des Deutschen Pavillons 2016 anlässlich der ersten Olympischen Spiele in Südamerika in Rio de Janeiro gemeinsam mit dem Deutschen General Konsulat hervor. Imselben Monat feierte die AHK Rio auch ihr 100-jähriges Bestehen.
Weitere Informationen: https://brasilien.rio.ahk.de