Martin Ache (Ache | Stallmeier) leitete auf dem M1 - Zukunftskongress Messe einen Workshop zum Thema „Wirtschaftlich handeln, effizient einkaufen – Ausschreibungen im Messekontext“. Im Interview mit Anne Böhl (AUMA) spricht er über die wachsende Bedeutung von Ausschreibungen im Messebau, den Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie das Potenzial von KI für Messedesign und Konzeption.
Lieber Martin Ache, auf dem M1-Kongress sprachen Sie über Ausschreibungen. Was versteht man im Zusammenhang mit Messen darunter?
Die Ausschreibung eines Messestandes umfasst einen möglichst vollständigen Entwurf, ein Leistungsverzeichnis mit der Beschreibung aller Gewerke und Dienstleistungen sowie technische Detailzeichnungen. Die Anbieter reichen ihre Angebote in Form des ausgefüllten Leistungsverzeichnisses ein, und die Bauherren erhalten zur Entscheidungsfindung einen Preisspiegel mit detaillierten Einzel- und Gesamtpreisen.
Das Vorgehen und die Form unterscheiden sich damit nicht von Ausschreibungen im Hochbau. Der wesentliche Unterschied liegt im äußerst engen Zeitrahmen für den Aufbau und im unverrückbaren Fertigstellungstermin. Insbesondere das kurze Zeitfenster für den Aufbau spricht für die Vergabe an einen Generalunternehmer. Für Individualbauten im Hochbau ist die Einzelvergabe der Gewerke üblich.
Warum sind Ausschreibungen für ausstellende Unternehmen oft eine Herausforderung?
Vor 25 oder 30 Jahren dominierten Systemstände, geplant und gebaut von Messebauunternehmen. Ausschreibungen waren damals unnötig und unwirtschaftlich. Heute werden viele Individualbauten mit deutlich höheren Budgets umgesetzt, die Beschaffung erfolgt jedoch meist weiterhin über das Vertrauensverhältnis zwischen Bauherren und „Full Service“-Messedienstleistern. Ob Angebote marktgerecht sind, bleibt dabei aber immer unklar. Die Beschaffung über eine Ausschreibung ist daher vielen unbekannt. Dazu fehlt den Unternehmen das Fachwissen, um Ausschreibungen selber zu erstellen und es gibt auch nur wenige spezialisierte Agenturen mit der nötigen Expertise, die Ausschreibungen für Messestände durchführen können.
Die Messewirtschaft will bis 2040 klimaneutral wirtschaften. Ein realistisches Ziel auch für den Messestandbau?
In der Branche werden wirtschaftlich motivierte Entscheidungen häufig als Nachhaltigkeitsmaßnahmen präsentiert, auch wenn die tatsächlichen Veränderungen überschaubar sind. Zum Beispiel wird die „thermische Verwertung“ von Holzresten als ökologisches Instrument beworben, obwohl Recycling in vielen Fällen nachhaltiger wäre. Der Wiedereinsatz von Systembaumaterialien oder Möbeln wird als „zirkulär“ bezeichnet, obwohl eine echte Kreislaufwirtschaft in der Branche noch in deutlicher Ferne liegt.
Die Zeiten großflächiger Spanplattenkonstruktionen für Kabinenwände sind zwar weitgehend vorbei, aber dieser Fortschritt ist weniger dem Nachhaltigkeitsgedanken geschuldet. Es liegt vor allem an der gestiegenen Qualität und an den vergleichsweise geringeren Kosten textiler Wandbespannungen.
Viele Unternehmen nutzen Nachhaltigkeitszertifikate, deren Vergabe häufig mit geringen Einstiegshürden verbunden ist. Oft reicht ein Zustandsbericht mit Ankündigungen künftiger Verbesserungen, während verbindliche Maßnahmen oder unabhängige Kontrollen eher selten sind.
Es gibt durchaus positive Beispiele und Ausnahmen. Insgesamt vermittelt der Messestandbau jedoch bislang eher den Eindruck, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht konsequent verfolgt wird.
Wie digital ist der Messestand von heute? Was wird sich in Zukunft ändern?
Die digitalen Werkzeuge zur Besucherführung oder Leadgenerierung werden an Bedeutung gewinnen, und natürlich muss ein Messestand technisch „State of the Art“ sein. Für das Erleben von Marke und Produkt kann eine digitale Unterstützung immer hilfreich sein, aber letztlich geht es auf Messen um Kommunikation und echtes Erleben. Die Möglichkeit, Produkte anzufassen und die Menschen dahinter kennenzulernen und mit diesen zu kommunizieren, ist der größte Mehrwert, den Messestände bieten können. Die direkte Kommunikation mit vielen, verschiedenen Anbietern ist das Alleinstellungsmerkmal der Messen und kann durch digitale Werkzeuge nur unterstützt werden.
Wie viel Einfluss hat das Thema KI auf Ihre Arbeit, und was erwarten Sie für die Zukunft?
Der Einfluss von künstlicher Intelligenz auf unsere Arbeit im Messedesign und im Bereich der Ausschreibungen ist schon jetzt groß, und er wird in Zukunft noch deutlich zunehmen. Zurzeit nutzen wir KI im Arbeitsalltag für einfache grafische Aufgaben, für die Recherche, zum Beispiel zu Fachwissen rund um bestimmte Gewerke oder Materialien, sowie als täglichen Sparringspartner für Textentwürfe und strategische Überlegungen.
Die Hersteller der gängigen CAD-Programme arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Einbindung generativer KI-Funktionen. Noch befinden sich viele dieser Entwicklungen im experimentellen Stadium, doch das Potenzial ist enorm. Ob wir künftig vollständig individuelle Messekonzepte von einer KI erhalten werden, bleibt abzuwarten. Aber das Konzipieren und Konstruieren einfacher Systemstände oder die Adaption bestehender Konzepte wird schon bald automatisiert oder zumindest KI unterstützt erfolgen. Von den Herstellern der Ausschreibungsprogramme sind mir bisher keine KI-Module bekannt. In diesem Bereich arbeitet die KI derzeit noch parallel mit.
Schon heute macht uns der Einsatz generativer KI deutlich effizienter und präziser, und ich sehe darin noch enormes Potenzial. KI ersetzt nicht unsere Kreativität, sie erweitert sie. Genau darin liegt für uns eine große Chance.
Martin Ache ist Mitinhaber des Büros Ache | Stallmeier in Bielefeld, spezialisiert auf die Planung und Gestaltung von Messeständen. Mit über 25 Jahren Erfahrung im Messebau verfügt er über umfassendes Know-how in allen Projektphasen. Nach seiner Ausbildung zum Tischler war er als Monteur, Bauleiter, Projektleiter und Teamleiter tätig. 2013 gründete er gemeinsam mit der Diplom-Designerin Sandra Stallmeier das Büro Ache | Stallmeier, das anbieterneutrale Beratung, Entwurfsplanung und Ausschreibungen bietet.
15. Oktober 2025

