Charlotte Finger ist auf der AUMA-Mitgliederversammlung Ende Juni in Berlin neu in den Gesamtvorstand des Verbands der deutschen Messewirtschaft gewählt worden. Die Unternehmerin vertritt dort den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und damit die ausstellende Wirtschaft. Anne Böhl (AUMA) sprach mit Charlotte Finger nach der Wahl über ihren Blick auf die Branche, das Führen ihres Unternehmens, die gewachsene Erwartungshaltung von Messebesuchern – und kinderleichtes Arbeiten auf einer Hannover Messe in den 1990er Jahren.
Liebe Charlotte Finger, herzlichen Glückwunsch! Sie sind soeben neu in den Vorstand des AUMA gewählt worden. Wie erleben Sie den Verband der deutschen Messewirtschaft und die Branche?
Schon während der Mitgliederversammlung fiel mir auf, dass ich selten irgendwo so freundlich und herzlich aufgenommen wurde. Man spürt direkt, dass man es bei der Messewirtschaft mit ausgesprochen kommunikativen und offenen Menschen zu tun hat. Da sind Arbeitgeberverbände oder Maschinenbaugremien manchmal doch etwas nüchterner und reservierter. So ein positiver und reger Austausch fördert natürlich auch die Ergebnisse der inhaltlichen Arbeit in diesem Kreis – worauf ich mich nun schon sehr freue!
Was wollen Sie mit Ihrem Engagement im AUMA erreichen?
Es ist mir eine Herzensangelegenheit, Deutschland als Wirtschafts- und Industriestandort zu erhalten und zu stärken. Diesem Ziel widme ich mich nicht nur durch meine hauptberufliche Tätigkeit als Unternehmerin, sondern auch mit ehrenamtlichem Engagement in verschiedenen Verbänden und Gremien.
Die Tätigkeit im AUMA bietet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Hebel, denn Messen und Ausstellungen spielen für einen Wirtschaftsstandort eine entscheidende Rolle. Sie bringen die Akteure einer Branche live und persönlich zusammen und schaffen zudem eine große Sichtbarkeit für den Bereich und seine Entwicklung. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich den AUMA dabei unterstützen darf, die Zukunftsfähigkeit des deutschen Messestandorts in diesen volatilen Zeiten zu festigen.
Sie sind geschäftsführende Gesellschafterin zweier Maschinenbau-Firmen. Hut ab! Gründerin oder Erbin?
Ich habe vor etwa zehn Jahren die Unternehmensnachfolge mit meinem Vater begonnen. Ein eigenes Start-up hätte mich sicherlich ebenfalls gereizt, aber auch mit einer über 100-jährigen Firmenhistorie sind genug spannende Herausforderungen verbunden. Die Führung eines Unternehmens – noch dazu des eigenen – betrachte ich dabei als großes Privileg. Nur wenige berufliche Tätigkeiten erlauben eine so weitreichende eigene Dispositionsfreiheit sowie die ganz persönliche Entfaltung von Visionen und Ideen.
Wie viele Messebeteiligungen stemmen Ihre Firmen pro Jahr?
Gesetzt ist für uns als Maschinenbauer die Hannover Messe. In unserem Firmenarchiv kann man allerlei Schwarz-Weiß-Fotos von früheren Messeständen und verrückten Abenden in der Münchener Halle finden. Heute stellen wir dort auf dem Gemeinschaftsstand des VDMA, unserem Branchenverband, aus. Hinzu kommen noch mehrere Fachmessen, die sich entweder unserem Produkt der Antriebstechnik oder unseren Kundenbranchen von Marine über Robotik bis zu Fitnessgeräten oder Baumaschinen widmen. Als nächstes stellen wir in Shanghai und Atlanta aus, freuen uns aber auch schon auf Nürnberg im November – es wird also nie langweilig.
Wie haben sich in den vergangenen drei Jahren die Kundenerwartungen (auf Messen) verändert?
Krisen beschleunigen Trends. So hat Corona die Kommunikations- und Vertriebskanäle von Unternehmen sichtbarer und schneller verändert, als es zu erwarten war und ich beobachte tatsächlich eine neue Erwartungshaltung bei unseren technischen Fachmessen. Früher gehörte es einfach zum guten Ton, die Leitmessen zu besuchen und „dabei zu sein“. Die Aussteller setzten auf eine extravagante Technologieshow - je größer, desto besser. Heute ist der B2B-Bereich meiner Meinung nach etwas bescheidener und zurückhaltender. Es geht mehr um tatsächlich anwendungsreife und integrierte Lösungen. Dabei ist es nicht leicht, den nötigen Spagat zu schaffen, um Publikum anzuziehen. Auf der einen Seite sollen mehr und mehr hybride und digitale Inhalte übermittelt werden, zeitgleich scheinen Gamification, Storytelling und das Schaffen emotionaler Erlebnisse wichtiger denn je.
Welches schöne Erlebnis auf einer Messe fällt Ihnen ein?
Als Kind durfte ich alle zwei Jahre für einen Tag mit meinem Vater auf die Hannover Messe fahren. Er hat sich immer viel Zeit genommen, um mir alle neuen Highlights zu zeigen und mich für Technik zu begeistern. Irgendwann in den 1990ern habe ich sogar auf unserem Stand an einer Werkbank gesessen und Teile montiert – unsere Produkte waren somit offensichtlich kinderleicht einzubauen... An diese frühen Glücksmomente denke ich immer kurz zurück, bevor ich heute die heiligen Hallen betrete und mich in das Messetreiben stürze.
Charlotte Finger (Jahrgang 1988) ist seit 2015 geschäftsführende Gesellschafterin der Maschinenfabrik Mönninghoff in Bochum und der Chemnitzer Zahnradfabrik. Beide Unternehmen gelten als Hidden Champions der kundenspezifischen Antriebstechnik und stehen aktuell vor der Herausforderung, ihre mechanischen Produkte und Fertigungsprozesse grundlegend zu digitalisieren. Finger studierte Internationale Betriebswirtschaft an der WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Konstanz und arbeitete anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der RWTH Aachen. Finger engagiert sich in verschiedenen Gremien des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA. 2021 veröffentlichte sie mit weiteren Unternehmern das Buch „Generation Verantwortung“ und wurde vom Capital Magazin als „Top 40 unter 40“ ausgezeichnet.