In dem zweistufigen Verfahren wurde zunächst ein Marktforschungsunternehmen mit qualitativen Befragungen von Messebesuchern beauftragt. Untersucht wurde dabei der erste Kontakt vor der Messe bis zum erfolgten Messebesuch. In einer zweiten Phase wird nun bis Frühjahr 2020 eine quantitative Untersuchung vorgenommen, bei der Online-Befragungen von Besuchern direkt nach der Messe durchgeführt werden. Erste Auswertungen der qualitativen Befragung von Messebesuchern stellte Bastian Fischer, Senior Research Manager, GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH, am 17. Dezember 2019 beim AUMA-Arbeitskreis Messetransparenz in Berlin vor. Ergebnisse der Studie sollen Mitte 2020 veröffentlicht werden.
AUMA: Herr Fischer, hat die Customer Journey von Messebesuchern aus Sicht der Marktforschung besondere Merkmale?
Bastian Fischer: In einem Satz zusammengefasst, beschreibt die Customer Journey die einzelnen Stationen eines Konsumenten auf seiner „Reise“ zur Nutzung eines Produkts oder einer Dienstleistung. Trennschärfe gewinnt der Begriff aus unserer Sicht dann, wenn er sich auf Branchen und Themen bezieht, in denen diverse Touchpoints (z.B. Newsletter, Fachmedien, soziale Netzwerke) eine zentrale Rolle spielen und Entscheidungen nicht vornehmlich durch ein standardisiertes Handeln gekennzeichnet sind, so wie es auch bei Messebesuchen der Fall ist.
Grundsätzlich sind Logik und prozessualer Charakter der Customer Journey dabei kategorieübergreifend ähnlich. Es geht stets um die Identifikation von Informations- und Entscheidungsprozessen, die sich in die klassischen Phasen: Informieren, Abwägen, Entscheiden und Nutzen untergliedern lassen.
Ein besonderes Merkmal der Customer Journey von Messebesuchern findet sich dabei in der „Granuliertheit“ der Planungsphase, die dem Messebesuch unmittelbar vorgelagert ist: Diese Phase ist wesentlich ausgeprägter als beispielsweise beim Einkauf von Lebensmitteln.
So ist das Involvement und die Bereitschaft, sich mit der Messevorbereitung auseinanderzusetzen, zu Beginn noch relativ gering, nimmt aber stetig zu, je näher der Messebesuch rückt. Zum Beispiel werden für formal-organisatorische Aspekte, wie Hotelbuchungen – nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül verfahrend – oftmals nur so viele Informationen wie nötig eingeholt und / oder an andere Personen delegiert. Dieser Umstand bringt dabei seine ganz eigenen Implikationen für die Gestaltung von Touchpoints mit sich. Geht es dann an die konkrete Planung des Besuchs auf der Messe, werden umfängliche Recherchen betrieben, um die Zeit auf der Fläche bestmöglich effektiv und effizient gestalten zu können. Hierfür werden wiederum Informationsaufbereitungen und Touchpoints benötigt, die ein hohes Maß an Autonomie und individuellem Handlungsspielraum ermöglichen, um unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
AUMA: Welche Vorteile bietet die Kombination aus qualitativem und quantitativem Studiendesign?
Bastian Fischer: In der empirischen Forschung kennen wir unterschiedliche Wege, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Die Wahl des methodischen Vorgehens richtet sich jedoch nicht immer ausschließlich nach der konkreten Fragestellung. Vielmehr spielen auch Erhebungsschwerpunkte (z.B. Besucher/ Nicht-Besucher, Touchpoints) und forschungsökonomische Erwägungen (z.B. Erreichbarkeit der Zielgruppe, zeitliche Restriktionen) eine signifikante Rolle.
Für unser Forschungsdesign haben wir uns gemeinsam mit AUMA bewusst für eine Kombination quantitativer und qualitativer Verfahren entschieden, um spezifische methodische Vorteile gezielt einzusetzen: Mit Hilfe einer qualitativen Vorstudie in Form von Einzelinterviews und Workshops konnten wir Motive sowie das komplexe Vorgehen von Besuchern diverser Messen in Tiefe und Breite explorieren, in ein strukturiertes Modell übersetzen und subsummierende Erkenntnis-Hypothesen generieren. Die anschließende quantitative Überprüfung der Hypothesen in Form standardisierter Befragungen ist nun aufgrund der unterschiedlichen Arten von Messen hinsichtlich Branchen, Größen, Lage, Themen etc. unerlässlich, um belastbare und messetypische Ergebnisse zu gewinnen.
AUMA: Was waren die größten Herausforderungen für Ihr Institut bei der Durchführung der Studie?
Bastian Fischer: In der Konzeptionierung des Studiendesigns sahen wir uns mit zwei grundlegenden Herausforderungen konfrontiert. Zum einen ist die Messelandschaft durch eine gewisse Diversität gekennzeichnet: Was bei der Messe X für den Erstkontakt, die Vorbereitung aber auch den Messebesuch selbst gilt, muss nicht zugleich auch bei Messe Y gelten. Die Herausforderung bestand nun darin, die unterschiedlichen Besucherperspektiven und Touchpoints in der Breite zu erfassen, als auch im Messekontext zu interpretieren. Hier kam die bereits erwähnte methodische Triangulation zum Einsatz: Mittels Einzelinterviews und Workshops konnten Insights in der Breite gesammelt und strukturiert aufbereitet werden. Die anschließende Quantifizierung ermöglichte eine messespezifische Adaption und Interpretation.
Zum anderen war uns bewusst, dass ein Messebesuch einen langen zeitlichen Vorlauf erfordert und eine retrospektive Betrachtung der einzelnen Journey-Phasen durchaus eine Herausforderung für die Befragten bedeuten könnte. Um diese Herausforderung zu meistern, nutzten wir einige aus der Biographieforschung entlehnte Befragungstechniken sowie projektive Übungen mit dem Ziel, Erinnerungsleistungen zu stimulieren und sich über „Umwege“ implizit dem eigentlichen Erkenntnisgegenstand zu nähern.
Bastian Fischer ist Studienleiter bei der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM). Er befasst sich dort schwerpunktmäßig mit der Marken-, Produkt- & Zielgruppenforschung. Als Leiter von GIM Experience ist er zudem für Usability und User Experience Projekte verantwortlich. Die GIM besteht seit über 30 Jahren und hat sich als Anbieter für Markt- und Marketingforschungen in Deutschland etabliert.
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