Mit Urteil vom 22. Oktober 2015 hat das Landgericht Freiburg entschieden, dass Verbrauchern, die auf Messeständen Kaufverträge abschließen, kein Widerrufsrecht zusteht.
Bei dem Rechtsstreit hatte der Kläger am Ausstellungsstand der Beklagten auf der Grünen Woche 2015 in Berlin einen Dampf-Staubsauger mit Zubehör zum Preis von 1.600,00 EUR erworben. Die Parteien stritten darüber, ob der Aussteller seine Kunden auf der Grünen Woche 2015 über ein Widerrufsrecht und das Musterwiderrufsformular nach § 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB hätte informieren müssen.
Der Kläger vertrat die Ansicht, dass es sich bei Messeständen nicht um Geschäftsräume handelt und daher Verbrauchern ein Widerrufsrecht zustehe. Die Grüne Woche sei eine Messe für „Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau“. Es handele sich bei ihr nicht um eine Messe für Reinigungsmittel und/oder -geräte. Die Beklagte habe jedoch an ihrem Messestand auf der Grünen Woche Dampfstaubsauger verkauft. Bei diesem Produkt handele es sich um ein fachfremdes Produkt, da die Verbraucher ein solches nicht auf einer Messe erwarten würden, auf der Lebensmittel und sonstige landwirtschaftlichen Produkte sowie den Gartenbau betreffende Produkte präsentiert werden würden. Es komme allein auf den Charakter der Messe Grüne Woche an. Die Erwartungshaltung der Verbraucher werde von der öffentlichen Darstellung der Grünen Woche geprägt.
Dieser Ansicht widersprach das Gericht. Es stellte fest, dass der Aussteller nicht verpflichtet gewesen ist, seine Kunden bei Abgabe einer Bestellung über ein Widerrufsrecht zu belehren, da er seine Waren in beweglichen Gewerberäumen angeboten und verkauft hat.
Nach der dem Gesetz zugrundeliegenden EU-Verbraucherrechterichtlinie sollen als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Auch wenn die Richtlinie es zunächst vom Wortlaut her nahelege, den Begriff des „gewöhnlich“ in Abgrenzung zum „ständig“ ausgeübten Gewerbe nur in zeitlicher Hinsicht und damit aus der Sicht des Unternehmers zu bestimmen, liege es schon aufgrund der ratio legis nicht fern, den genannten Begriff zur Durchsetzung des in Erwägungsgrund 21 der Verbraucherrechterichtlinie verdeutlichten Schutzzweckes auch aus der Perspektive der Verbraucher zu interpretieren, so das Gericht. Dort heißt es: Außerhalb von Geschäftsräumen steht der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt, wobei es keine Rolle spielt, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Erweiternd und in Konkretisierung der Verbraucherrechterichtlinie weist der Gesetzesentwurf der Bundesregierung in seiner Begründung (BR-Drucks. 817/12, S. 80) daher darauf hin, dass die Anwendung des Kriteriums der gewöhnlichen Ausübung der Tätigkeit des Unternehmers auch auf Markt- und Messestände vor dem Hintergrund erfolgt sei, Verbraucher vor übereilten Vertragsschlüssen zu schützen, insbesondere in Fällen, in denen sie nicht mit einem Vertragsschluss über bestimmte Waren rechnen müssen. Eine solche Situation würde regelmäßig nicht vorliegen, wenn der Verbraucher auf einem Wochenmarkt einkauft, an dem dieselben Händler ihre Marktstände aufbauen und für einen Wochenmarkt typische Waren verkaufen. Sie könne aber durchaus vorliegen, wenn dem Verbraucher überraschend fachfremde, nicht mit dem Thema der Messe oder Ausstellung im Zusammenhang stehende Waren angeboten werden würden.
Der beklagte Aussteller hatte seinen Messestand während der gesamten Grünen Woche 2015 in Halle 11.1 betrieben und vertreibt seine Produkte auch sonst über Messen. In Halle 11.1 erwartete den Verbraucher nach dem Geländeplan der Messegesellschaft „Haustechnik“. Der Verbraucher konnte sich somit bei einem Besuch der Grünen Woche darauf einstellen, dass dort Haustechnik - und damit auch Dampf-Staubsauger - angeboten werden, wenn er Halle 11.1 betritt, so das Gericht. Bei 1.600 Ausstellern und 26 Hallenkomplexen, für deren Besichtigung der Besucher acht Kilometer Wegstrecke zurücklegen und mindestens drei Tage Zeit einplanen muss, hielt es das Gericht für nahezu ausgeschlossen, dass sich der aufmerksame, seine Kräfte einteilende und seine eigenen Interessen bevorzugende Messebesucher zufällig in die im Untergeschoss gelegene Halle 11.1 begibt und dann von dem dort Angebotenen überrascht wird. Jedenfalls sind Verbraucher in einem solchen Fall nicht schutzwürdig, weil sie weder einem hinreichenden Druck noch einem hinreichenden Überraschungsmoment ausgesetzt sind. Die Halle verfügt über einen gesonderten Zugang. Die Halle ist daher schon von ihrer äußeren Ausprägung einem Geschäftsraum angeglichen, in dem der Verbraucher „Haustechnik“ erwartet und somit nicht überrascht sein kann, wenn ihm Dampf-Staubsauger angeboten werden. Zudem sind Besucher von Messen und Ausstellungen nicht so schutzwürdig wie beispielsweise Verbraucher, die außerhalb von Marktveranstaltungen im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Geschäft des Unternehmers angesprochen werden. Sie rechnen nämlich mit solchen Situationen und können sich ihnen einfach auch dadurch entziehen, dass sie in der Anonymität der Besuchermasse untertauchen.
Der AUMA hatte sich sowohl im Rahmen des Verfahrens zur Verabschiedung der EU-Verbraucherrechterichtlinie als auch im Rahmen des nationalen Gesetzgebungsprozesses dafür eingesetzt, dass Verbrauchern bei Käufen auf Messen kein Widerrufsrecht zusteht und dabei insbesondere an der in dem Urteil genannten Formulierung der Gesetzesbegründung mitgewirkt. Das Urteil bestätigt daher die vom AUMA vertretene Rechtsauffassung und schafft mehr Rechtssicherheit für Aussteller und Besucher.