BGH-Urteil: "Keksstangen"
Allein aus der Präsentation eines nahezu identisch gestalteten Nachahmungsprodukts auf einer internationalen Fachmesse folgt nicht, dass ein Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses gegenüber inländischen Verbrauchern unmittelbar zu befürchten ist, so der BGH mit
Urteil vom 23.10.2014 (Az.: I ZR 133/13), dem folgender Fall zugrunde liegt: Ein deutscher und ein türkischer Süßwarenhersteller haben ihre Produkte auf einer internationalen Süßwarenmesse ausgestellt. Der deutsche Hersteller macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus §§ 4 Nr. 9 a), b); 8 Abs. 1 Satz 2 UWG geltend. Nach seiner Ansicht folgt aus der Produktpräsentation auf der Messe eine sogenannte „Erstbegehungsgefahr“ des Anbietens, Vertreibens oder sonstigen Inverkehrbringens einer unlauteren Produktnachahmung in Deutschland.
Das sieht der BGH anders. Bereits in dem Urteil „Pralinenform II“ hatte der BGH festgestellt, dass allein die Präsentation eines Erzeugnisses auf einer Messe nicht in jedem Fall für die Annahme einer Erstbegehungs-gefahr ausreiche; es müsse eine konkrete Angebotshandlung an einen Abnehmer nachgewiesen werden. Diese Auffassung hat der BGH nun in dem vorliegenden Fall bestätigt und ausgeführt, dass die auf internationalen Fachmessen präsentierten Produkte vielfach gar nicht für den Vertrieb auf dem deutschen Markt bestimmt seien. Schon aus diesem Grund ergebe sich aus der reinen Präsentation eines Produktes auf einer internationalen Messe im Inland noch kein zwingender Anhaltspunkt für einen zeitnahen Vertrieb im Inland.
Auch eine Verwechslungsgefahr mit der Nachahmung hat der BGH abgelehnt. Bei der Süßwarenmesse handele es sich um eine Fachmesse, zu der nur Fachpublikum Zutritt habe. Das Fachpublikum habe so gute Kenntnisse der auf dem Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft, dass es im Hinblick auf nahezu identische Nachahmungsprodukte nicht zu einer unmittelbaren Verwechslung mit dem Originalprodukt und der irrtümlichen Annahme von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen komme, wenn die Produkte in Packungen mit deutlich unterschiedlichen Herkunftshinweisen vertrieben werden. Im Ergebnis hat der BGH einen Unterlassungsanspruch des deutschen Herstellers abgelehnt und auf die Revision der Beklagten hin das vorinstanzliche Urteil aufgehoben.
Der AUMA e.V. kritisiert die Signale, die der BGH mit dieser Entscheidung für den Messeplatz Deutschland aussendet. Das Urteil schwächt die Rechtsschutzmöglichkeiten aus Wettbewerbsrecht auf Messen. Sowohl die deutschen Messeveranstalter als auch die ehrlich innovativen Aussteller wünschen sich starke Regeln im gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Gemeinsam mit dem Rechtsexperten Graf von der Groeben stellt sich der AUMA auf den Standpunkt, dass gerade in diesen zentralen Bereichen des Wirtschaftsrechts sehr sensibel abgewogen werden muss, was juristisch zur Regel erhoben werden soll.